Seit vier Jahren lebt die inzwischen 80-Jährige im Wohnen mit Service im Haus an der Rümannstraße. Zum Mittagessen geht sie in die Cafeteria, das Frühstück und Abendessen bereitet sie sich selber zu. Dort hat sie auch endlich ihren lang gehegten Traum von einem rosafarbenen Bad verwirklicht. „Ich bereue meinen Entschluss bisher nicht eine Sekunde lang. Ich bin unabhängig, aber bei gesundheitlichen Problemen trotzdem gut versorgt", erklärt sie zufrieden.
Sich für andere einsetzen
Nach dem Tod ihres Sohnes gründete Karin Berlin zusammen mit zwei weiteren Müttern den Verein „Verwaiste Eltern". Zunächst ging es um die Bewältigung der eigenen Trauer: „Der Kontakt zu Menschen, die das Gleiche erlebt haben, tat gut, ihnen musste ich nichts erklären." Doch es war mehr als das: „Mein Sohn hat mir eine Aufgabe hinterlassen", erklärt sie ihr Bedürfnis, anderen Betroffenen zu helfen. Ein Patentrezept gibt es dabei nicht, weiß die 80-Jährige: „Jeder geht mit so einem Schicksalsschlag anders um."
Bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im Haus an der Rümannstraße, die sie bereits drei Jahre vor ihrem Einzug begann, lernte sie BewohnerInnen kennen, die ebenfalls ein Kind verloren haben. Doch nicht nur diese besucht sie heute regelmäßig, sondern auch Bewohnerinnen ohne Angehörige. Auf eines muss sie dabei achten: „Zu viel aufladen darf ich mir nicht, sonst rutsche ich in eine Depression." Trotz allem hat sich Karin Berlin eine positive Lebenseinstellung bewahrt. Dabei halfen ihr auch ihre Hobbys. Sie malt und korrespondiert mit selbst gestalteten Postkarten mit verwaisten Müttern – sogar bis nach England und Australien. Auch an den Qigong-Stunden der MVHS im Haus nimmt sie teil und besucht Konzerte.
Bei Spaziergängen durch den schönen Park rund um das Haus kommt sie zur Ruhe: „Am kleinen Teich beobachte ich manchmal Enten und ihre Jungen oder ich treffe auf BewohnerInnen, die ich hier kennengelernt habe." Sie genießt die Kontakte und ist froh, dass sie sich in ihre eigenen vier Wände zurückziehen kann, wenn sie das Bedürfnis hat. Eine gute Freundin lebt inzwischen hier und ihre ältere Schwester plant ebenfalls einzuziehen. Um mit ihrem jüngeren Sohn und den Enkeln in Kontakt zu bleiben nutzt sie moderne Technik, obwohl sie sich zuerst dagegen gewehrt hat: „Seitdem ist der Kontakt viel intensiver, ich schaue gleich am Morgen in mein Tablet, ob sie mir etwas geschickt haben", erklärt sie lachend.