In vielen MÜNCHENSTIFT-Häusern sind Menschen ehrenamtlich tätig. Sie bringen sich mit ihren Hobbies und Fähigkeiten ein und verbringen Zeit mit älteren Menschen: Sie besuchen einzelne SeniorInnen zum Reden und Spazierengehen oder begleiten sie bei Arztbesuchen und Behördengängen. Sie organisieren Gruppenaktivitäten wie Vorlesen, Singen und Basteln oder sind für Sterbende in ihren letzten Tagen da.
„Wenn neue ehrenamtliche Helferinnen oder Helfer kommen, nehme ich mir viel Zeit zum gegenseitigen Kennenlernen und für eine gute Einweisung", erzählt Christa Kählke, Koordinatorin für Ehrenamtliche im MÜNCHENSTIFT-Haus an der Tauern-straße. „Wichtig ist es, genau herauszufinden, welche Aufgabenbereiche jemandem liegen, welche Erfahrungen und Fähigkeiten die Person mitbringt, in welcher Form sie sich einsetzen will und kann, und wie viel Zeit realistisch zur Verfügung steht." Außerdem bietet die MÜNCHENSTIFT den Ehrenamtlichen regelmäßige Fortbildungen z.B. zum Umgang mit demenziell Erkrankten und Treffen zum Erfahrungsaustausch an.
Christa Kählke ist stolz auf das umfangreiche ehrenamtliche Programm, das viel Anregung und Leben ins Haus bringt – von der Kaffeehausmusik oder dem Tanznachmittag, über das Kartenspielen oder Malen bis zu Einsätzen der Streichelbande mit Hund oder Nachmittagen mit Schlagermusik. Rund 60 Ehrenamtliche sind allein im Haus an der Tauernstraße aktiv. Am meisten benötigt Christa Kählke Menschen jeden Alters, die Einzelbetreuung machen wollen und beispielsweise einmal in der Woche einzelne BewohnerInnen besuchen. Auch eine liebevolle und würdige Begleitung Sterbender liegt ihr am Herzen.
In den letzten Stunden begleiten
Christa-Sophia Bauer gehört seit zehn Jahren zu den drei ehrenamtlichen Sterbebegleitern, die im Haus tätig sind. „Vor ein paar Wochen rief mich nachmittags eine Pflegerin aus einem der Wohnbereiche an, dass man bei Frau S. mit dem Ableben rechnen muss", erzählt Christa-Sophia Bauer über einen ihrer letzten Einsätze. Da die 77-jährige ehrenamtliche Helferin in der Nähe wohnt, war sie eine halbe Stunde später vor Ort und meldete sich zunächst bei Frau Kählke im Büro. „Bevor ich das Zimmer eines Betroffenen betrete, gehe ich immer in das Mitarbeiterzimmer und informiere mich dort in den biographischen Unterlagen über seine Familie, seine persönliche Geschichte oder Vorlieben", erklärt sie ihr weiteres Vorgehen. Hier erfuhr sie, dass Frau S. keine Angehörigen hat und nicht nur hochbetagt, sondern auch schwer erkrankt ist.
„Als ich dann ihr Zimmer betrat, fiel mir sofort die gepflegte Atmosphäre auf. Auf dem Tisch standen ein CD-Player und CDs mit klassischer Musik sowie ein Foto ihrer verstorbenen Eltern." Sehr wichtig ist Christa-Sophia Bauer die erste Kontaktaufnahme mit einem Sterbenden: „Ich ging zum Bett, berührte sanft ihre Schulter und stellte mich vor. Frau S. lächelte und öffnete ihre Augen, so dass wir uns anschauten. Auf meine Frage, ob ich mich zu ihr ans Bett setzen darf, stimmte sie mit einem erneuten Lächeln zu." Auch körperliche Berührungen sind eine gute Möglichkeit zur Kommunikation, weiß die Sterbebegleiterin: „Ich schob meine Hand unter die ihrige und spürte einen leichten Druck. Ein Händedruck kann wichtiger sein als Worte. Aber dann hörte ich einen leisen Laut, eine Art Stöhnen und merkte, dass sie mir etwas sagen will." In solchen Situationen hilft Christa-Sophia Bauer ihre Erfahrung und das, was sie in Fortbildungen gelernt hat. „An ihren Augen habe ich gemerkt, dass Frau S. hellwach ist. Um herauszufinden, was sie mir mitteilen möchte, habe ich ihr Fragen gestellt und sie gebeten, mit einem Stöhnen zu antworten, wenn ich das Richtige gesagt habe."
Etwas später kam die Pflegerin ins Zimmer, um nach der Infusion zu schauen und den Mund von Frau S. zu befeuchten. „Ihr fielen immer wieder die Augen zu, aber sie hielt meine Hand weiter fest", erinnert sich die ehrenamtliche Helferin und fährt fort: „Ich fühlte, dass ich gebraucht werde und das ist etwas unbeschreiblich Schönes!" Später abends, nach einer kurzen Absprache mit den MitarbeiterInnen, hat Christa-Sophia Bauer ihren Einsatz beendet. „Ich habe Frau S. zum Abschied eine gute Nacht gewünscht. Am nächsten Morgen hat mich die Pflegerin dann benachrichtigt, dass sie in dieser Nacht gestorben ist."
Wissen durch Fortbildungen
Die erfahrene Sterbebegleiterin weiß, dass auch sie, neben der Schmerztherapie durch den Arzt und die pflegerische Betreuung, dazu beitragen kann, den Sterbeprozess zu erleichtern. „Das ist jedes Mal etwas anderes. Vor kurzem habe ich zusammen mit einer 99-Jährigen bis in den späten Abend viel gelacht. Andere wieder freuen sich, wenn meine beiden kleinen Hunde Charly und Arielle mit dabei sind und sich streicheln lassen", erzählt Christa-Sophia Bauer. Neben der Fähigkeit sich einzufühlen, gehört auch Wissen zum Rüstzeug der Sterbebegleitung. Hier helfen die regelmäßigen Fortbildungen, die nötige Sicherheit zu bekommen.
Auch die enge Zusammenarbeit mit den Pflegekräften ist in der Begleitung sehr wichtig: „Aus der Biografie lässt sich vieles finden, das dem Menschen hilft – sei es seine Lieblingsmusik oder -lektüre", erzählt Fachpfleger Martin Fuchs, der zu den Ansprechpartnern der Ehrenamtlichen im Haus gehört. „Wir kennen die einzelnen BewohnerInnen. Doch die Menschen sind sehr unterschiedlich: einige brauchen einen ständigen Zuspruch und andere wollen lieber mehr allein für sich bleiben. Manchmal ist es daher wichtig, zwischendrin rauszugehen und ihnen die benötigte Zeit zu lassen."
Christa-Sophia Bauer hatte nie bewusst geplant, als Sterbebegleiterin tätig zu werden. „Das ergab sich durch Zufall, als ich beim Begleitservice für den Gottesdienst half und sich daraus wiederum Besuche bei einzelnen BewohnerInnen ergaben. Inzwischen ist mir das Haus mit all seinen Menschen sehr vertraut", erzählt sie und fährt schmunzelnd fort: „Ich bin hier bekannt als die Dame mit den zwei Hunden."
Die bewusste Entscheidung für eine Tätigkeit als Sterbebegleiterin hat vielleicht auch der Tod der Mutter mitbewirkt: „Sie starb am Karfreitag vor 27 Jahren friedlich in meinen Armen." Inzwischen ist die 77-Jährige drei- bis viermal in der Woche im Haus und zusätzlich, wenn sie gerufen wird. „Das geht nur weil ich alleinstehend bin. Ich will etwas Produktives im guten Sinne tun. Mein Ziel ist es, Ruhe, Zufriedenheit und Geborgenheit reinzubringen", erklärt sie nachdenklich ihre innere Motivation.
Um Sterbende liebevoll und achtsam begleiten zu können, ist es unerlässlich, für das eigene Wohlergehen zu sorgen: „Wenn jemand stirbt, geht es mir jedes Mal unter die Haut. Dann ist es wichtig, auch etwas für mich zu tun", beschreibt Christa-Sophia Bauer ihre Erfahrung. Nicht nur der Umgang mit ihren Hunden gibt ihr viel Kraft und Freude. Die Ehrenamtliche bildet sich sehr gerne weiter und nimmt regelmäßig Französisch- und Klavierunterricht.
Die Angebote der MÜNCHENSTIFT für Ehrenamtliche und speziell für Sterbebegleiter helfen ihr, nicht nur ihr Wissen zu vertiefen, sondern auch das Erlebte zu verarbeiten: „In den Fortbildungen habe ich gelernt, die Dinge nicht mit mir herumzutragen. Seither verabschiede ich mich zu Hause von jedem Verstorbenen mit einem Ritual, indem ich zu einem Gebet eine Kerze anzünde." Trotz schwieriger Momente empfindet Christa-Sophia Bauer ihre Tätigkeit als Sterbebegleiterin als Bereicherung: „Sie macht mich sehr dankbar: Ich habe dadurch das Leben schätzen gelernt, und dass man das Sterben würdevoll gestalten kann."