„Aufzuhören, fällt mir sehr schwer.“

    25. Oktober 2022

    Nach rund 15 Jahren Einsatz im MÜNCHENSTIFT-Haus an der Rümannstraße verabschiedete sich Rosemarie Leidenfrost von ihrem Ehrenamt. Die 98-Jährige begleitete einzelne Bewohner*innen und half in der Bibliothek oder beim Bring- und Holservice zu Veranstaltungen und Gottesdiensten.

    Über 50 Jahre lang besuchte Rosemarie Leidenfrost als Gemeindekrankenschwester der Erlöserkirche die Kranken der Schwabinger Gemeinde. Neben den drei Kindern half die gelernte Krankenschwester auch als Lektorin bei den Gottesdiensten. Als die Diakonie aufgelöst wurde und 2008 ihr Mann starb, stand Rosemarie vor einer neuen Situation: „Ich wollte weiter tätig sein und fragte daher im nahen Haus an der Rümannstraße, ob sie mich brauchen konnten“, erinnert sich die heute 98-Jährige.

    „Eigentlich wollte ich Italienisch- und Französischdolmetscherin werden. Doch dann kam der Krieg und ich wurde mit 17 Jahren Krankenschwester bei schwerstverwundeten Soldaten“, erzählt sie. Ihre Heimatstadt in Sachsen musste die Familie nach dem Krieg 1945 verlassen und landete in Nordrhein-Westfalen. Durch Heirat kam sie 1960 nach München: „Hier fühle ich mich schon lange nicht mehr als Flüchtling, sondern als Schwabingerin.“

    Rosemarie Leidenfrost verabschiedete sich mit 98 Jahren nach 50 Jahren von ihrem ehrenamtlichen Einsatz im Haus an der Rümannstraße.

    Sieben Bewohner*innen des MÜNCHENSTIFT-Hauses begleitete sie über die vielen Jahre. „Obwohl ich auch die Bibliothek und Gottesdienste mitbetreut habe und beim Hol- und Bringdienst tätig war, waren mir die Einzelbesuche am wichtigsten“, so Rosemarie. „Dabei entsteht eine sehr persönliche Beziehung. Die meisten wollen reden und jemanden haben, der ihnen zuhört. Jeder Mensch ist anders und es braucht seine Zeit, bis er anfängt, von sich zu erzählen.“ Da viele keine Angehörigen hatten, bemühte sie sich die Verbindung zu Freunden zu fördern.

    Die Ehrenamtskoordinatorinnen Andrea Friedl und Verena Lüdeke bringen die Bewohner*innen und Ehrenamtlichen zusammen, die zueinander passen, und stehen bereit, wenn Fragen auftauchen oder Hilfe benötigt wird. Auch Kurse für die Ehrenamtlichen werden angeboten. „Durch den Hol- und Bringdienst können auch die weniger Mobilen an den Aktivitäten teilnehmen. Das ist wichtig, auch wenn sie bloß dabeisitzen und zuhören.“ Rosemarie fuhr sie oft im Rollstuhl in den großen Parkgarten, manchmal auch durch die Hausgänge, um Bilder anzuschauen, oder in die Kapelle, um eine Kerze anzuzünden. Auch mit drei Enkeln und vier Urenkeln hat sie die Zeit als Ehrenamtliche erfüllt: „Man wurde von allen erwartet und wusste, dass man gebraucht wurde. Das war sehr schön.“

    Text: MÜNCHENSTIFT Magazin, Heft Nr. 100 - Juni 2022
    Fotos: MÜNCHENSTIFT