• Wohnen & Pflege

„Das ist genau mein Ding.“

16. November 2022

Es gibt viele interessante und vielseitige Tätigkeiten in der Pflege. Und viele Wege dorthin. Pflegefachkräfte der MÜNCHENSTIFT erzählen, wie sie zu einer erfüllenden Aufgabe fanden.

„Ich bin selbst überrascht“, stellt Maja Beganovic fest. „Vor 19 Jahren habe ich als kroatische Gastarbeiterin bei der MÜNCHENSTFT angefangen und bin heute Hausleitung im Haus an der Effnerstraße.“ So wie der gelernten Krankenschwester geht es vielen Pflegefachkräften, wie z. B. Mirjam Lades und Benjamin Gaß.

Sich fachlich und menschlich entwickeln

„Ich war nach der Schule völlig orientierungslos, wohin es gehen sollte - irgendwas mit Kunst oder Sozialem sollte es sein“, erinnert sich Mirjam Lades, Palliativfachkraft im Haus an der Rümannstraße. Da sie sich zu spät für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) zum Kennenlernen eines Kindergartens bewarb, landete sie durch Zufall im Hans-Sieber-Haus. „Ich war überrascht, wie gut mir die Arbeit mit den demenziell Erkrankten und dem Team gefiel“, erinnert sich die damals 19-Jährige. Sie blieb als Pflegehelferin, was 2000 noch ohne Ausbildung möglich war, und entschloss sich danach zur Ausbildung als Pflegefachkraft, um ihr Fachwissen auszubauen. „Das änderte meine Haltung sehr und ich wurde viel sicherer.“

Um noch anderes kennenzulernen, wechselte sie schließlich zu einem anthroposophischen Pflegedienst. „Als meine Tochter 2009 geboren wurde, entschied ich mich zur MÜNCHENSTIFT zurückzukommen und fand eine Aufgabe in der Pflegeoase im Haus an der Rümannstraße. Bei den Arbeitszeiten wurde berücksichtigt, dass ich alleinerziehend war. Die Arbeit bei den fortgeschrittenen Demenzerkrankten gefiel mir sehr, die Atmosphäre war sehr schön, die Arbeit entspannt.“ Als sie in einen Bereich für Menschen mit leichter Demenz wechselte, änderte sich einiges: „Die Bewohner*innen hatten großen Bewegungsdrang und waren zum Teil sehr herausfordernd. Doch ich fand selbst zu denjenigen einen Zugang, die aggressives Verhalten zeigten. Ich versuchte sie nicht zu verändern oder ihnen Hilfe aufzudrängen, sondern half ihnen, so zu sein, wie sie sein wollten.“

Als Palliativfachkraft ist Mirjam Lades für die Versorgung sterbender Menschen im Haus an der Rümannstraße zuständig. Den Bewohner*innen hilft sie bei der Erstellung von Patientenverfügungen. Nach der Schulzeit hätte sie nie gedacht, einmal für ein Fachgebiet Verantwortung zu tragen.

Da Mirjam feststellte, dass sie am liebsten mit herausfordernden oder sterbenden Menschen arbeitete, machte sie 2018 eine Weiterbildung zur Palliativfachkraft und eine weitere zur Gesprächsbegleiterin zur gesundheitlichen Vorausplanung. „Ich erhielt viel Wissen, wie mit Schmerzen und Ängsten umzugehen ist und wie ich auf Angehörige eingehen kann.“ Seitdem 2019 eine Stelle als Palliative Care-Fachkraft im Haus geschaffen wurde und auch das Konzept Behandlung im Voraus planen eingeführt wurde, ist sie für die palliative Versorgung im Haus zuständig. Sie koordiniert Fachkräfte, Ärzte, Hospizkräfte und Angehörige. In Gesprächen mit Bewohner*innen und Angehörigen hilft sie Patientenverfügungen zu erstellen mit den Wünschen, wie sie im Notfall medizinisch behandelt werden wollen. „Vor 15 Jahren hätte ich das nicht machen können. Ich habe mich nicht getraut, vor Menschen zu sprechen und mir nicht vorstellen können, mal in einem Haus für etwas verantwortlich zu sein oder Schulungen zu geben. Ich habe mich sehr entwickelt und entfaltet. Ich habe so ein Glück gehabt, hier gelandet zu sein, denn es ist genau das, was zu mir passt!“

Offenheit und Freude am Austausch

„Ich kam über den Zivildienst zur Pflege“, erinnert sich Benjamin Gaß. Heute leitet er das Haus St. Martin in Giesing. „Obwohl es von allen Seiten hieß, ich sollte studieren, entschied ich mich 2002 zur Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger, denn das FSJ in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Offenburg hat mir viel Spaß gemacht. In der Zeit half ich meine Oma zu pflegen und als Nebenjob betreute ich einen demenziell Erkrankten.“ Nach der Ausbildung wurde Benjamin übernommen und arbeitete in der Intensivstation. „Mir gefiel die Arbeit, nach zwei Jahren fragte ich mich aber, wohin ich mich weiter entwickeln wollte.“

Benjamin Gaß (rechts) knüpfte bei seinen Ausbildungs- und Studienetappen an seine unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen an. Am Ende konnte er vieles zusammenbringen. Heute profitiert er als Hausleiter von St. Martin von seinen vielen Erfahrungen.

Er entschloss sich für ein Studium der Medizintechnik, schließlich lag ihm in der Schulzeit auch Mathematik. Doch nach zwei Semestern fehlte ihm der Austausch mit den Menschen und er wechselte zum Studiengang Management des Gesundheitswesens. Die praktischen Studieneinheiten und Praktika machte er im Qualitätsmanagement des Epilepsiezentrums Kehl-Kork. „Nach einem weiteren Einsatz bei einer Pflegedienst- und der Einrichtungsleitung in einer anderen Klinik hatte ich einen riesigen Überblick und es stand wieder die Entscheidung an, wie es weitergehen sollte“, erinnert sich Benjamin.

„Ich war 32 Jahre alt und habe mich gemeinsam mit meiner Freundin entschieden, ganz neu anzufangen und nach München zu gehen“. Er bewarb sich unter anderem bei der MÜNCHENSTIFT in St. Martin auf eine Stelle im Qualitätsmanagement. Bei der Hospitation stellte er fest, dass ihm die Stelle nicht gefiel, aber auch noch eine andere als stellvertretende Pflegedienstleitung offen war: „So fing ich 2014 damit an.“ Als 2017 die Hausleitung wechselte, wurde er dessen Stellvertretung. „Das passte wunderbar, denn es ging in Richtung Management und Führung. Und als die Hausleitung 2022 nach St. Maria Ramersdorf wechselte, wurde ich selbst Hausleitung. Man hat mit sehr vielen Menschen und Charakteren zu tun, es ist wichtig ein Teamplayer zu sein, das habe ich durch alle meine Stationen gelernt. Sozialkompetenz ist das A und O.“

Ausdauer und Sprachkompetenz

„Ich wollte in einen sozialen Beruf, hatte überlegt Psychologie zu studieren, dann kam aber der Krieg“, erzählt Maja Beganovic. Sie wollte ihrer Schwester nach München folgen, die als Krankenschwester in einer Klinik arbeitete und machte in ihrer bosnischen Heimatstadt die Ausbildung zur Krankenschwester. Als ihre Bewerbung aber verloren ging, entschied sie sich, über ein Gesetz für kroatische Krankenschwestern, die in der Altenpflege eingesetzt wurden, nach Deutschland zu kommen. Sie wurde der MÜNCHENSTIFT zugewiesen und kam in das Haus an der Rümannstraße. „Ich war damals 21 Jahre alt und kannte keine Altenpflege, ich fand es ganz furchtbar und war kurz vor der Kündigung. Da ich keine Alternative sah, entschied ich mich aber zu bleiben und aufs Ganze zu gehen.“

Sie arbeitete als Pflegehelferin und machte nach zwei Jahren die Anerkennungsprüfung als Pflegefachkraft. Auf die Prüfungen bereitete sie sich sechs Monate lang neben der Arbeit vor. „Ich habe das zwar gut geschafft, aber ich wollte nicht bleiben. Mich hemmte, dass ich nicht gut Deutsch sprach und mich mit den Bewohner*innen und den Kolleg*innen deshalb nur oberflächlich austauschen konnte. Als ich das erkannte, begann ich viel zu üben. Mit der Sprachbeherrschung änderte sich mein Verhältnis zur Altenpflege grundlegend. Ich fing an, Beziehungen zu den älteren Menschen aufzubauen und zu verstehen, wieviel sie erlebt haben. Auch gegenüber Kolleg*innen konnte ich mich äußern und meine Meinung sagen. Jetzt kam ich an und wurde Teil des Teams!“

Maja Beganovic fand durch Umwege zur Altenpflege. Zu dem ungewohnten Arbeitsumfeld fand sie Zugang, indem sie ihre deutschen Sprachkenntnisse verbesserte und ihr persönliches Steckenpferd und ihre eigene Expertise entwickelte. Heute ist sie Hausleitung des Hauses an der Effnerstraße.

Maja begann sich für das Thema Qualität in der Altenpflege zu interessieren. „Es ärgerte mich, wenn sich niemand zuständig fühlte und Menschen ihrer Selbständigkeit beraubt wurden. Zu der Zeit wurde das Lebenswelt-Konzept bei der MÜNCHENSTIFT eingeführt, was ein großer Schritt in Richtung Pflegequalität war, indem die Individualität und die Gewohnheiten der Menschen stärker berücksichtigt wurden.“ Maja machte Fortbildungen und Kurse und wurde 2010 stellvertretende Wohnbereichsleitung im Haus an der Tauernstraße. „Ein Jahr später wurde ich Wohnbereichsleitung und war sehr glücklich, dass ich selbst Verantwortung übernehmen und mit dem Team Ideen verwirklichen konnte.“

Nach einem kurzen Einsatz als Qualitätsbeauftragte in einem anderen Haus der MÜNCHENSTIFT, kam sie 2014 als stellvertretende Pflegedienstleitung wieder zurück in ihr erstes MÜNCHENSTIFT-Haus in Schwabing. Als 2017 eine Pflegedienstleitung im Haus an der Effnerstraße gebraucht wurde, wechselte sie noch einmal und konnte vieles von ihren Erfahrungen einbringen und 2021, als die Hausleitung in Rente ging, deren Aufgabe übernehmen. „Hier steht neben der Qualität die Teamführung im Mittelpunkt. Als Hausleitung muss man sehr präsent sein und als Vorbild wirken. Bei der Arbeit mit alten Menschen braucht man ein offenes Herz und viel Empathie. Seit meinem Start mit 21 Jahren bin ich vielen Menschen begegnet und hätte nie gedacht, wie weit ich es beruflich schaffen würde. Heute bin ich sehr erfüllt, glücklich und dankbar, dass ich die Gelegenheit bekommen habe.“

Text: MÜNCHENSTIFT Magazin, Heft Nr. 101 - September 2022
Fotos: Barbara Donaubauer