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Für die Pflege begeistern 

24. Januar 2023

Die MÜNCHENSTIFT ist mit rund 200 Auszubildenden die größte kommunale Pflegeausbilderin in Deutschland. Im letzten September begannen 82 neue Azubis ihre praktische Ausbildung in den verschiedenen Einrichtungen. Ein Blick auf drei von ihnen.

Mit der Ausbildung eigener Fachkräfte trägt die MÜNCHENSTIFT seit vielen Jahren dazu bei, der Pflege eine Zukunft zu geben – gegen Personalmangel und ein schlechtes Image. Über 200 Auszubildende erhalten derzeit im Unternehmen ihre praktische Ausbildung – als Pflegefachhilfskräfte und Pflegefachkräfte. Oftmals vorbereitet mit einem Praktikum, Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder einem Vorbereitungsjahr, die an Pflegeethos, Arbeitsabläufe und bei Bedarf an die deutsche Sprache heranführen. Sogenannte Zentrale Praxisanleiter* innen begleiten die Auszubildenden vom ersten Tag bis zur letzten Prüfung. Zu ihnen gehört Jens Franke im Hans-Sieber-Haus

Jens Franke

Zusammen mit seiner Kollegin Sylvia Richter führt er derzeit 30 Azubis an die Pflege heran und zeigt ihnen, wie sie die grundlegenden Pflegeaufgaben erfüllen und ein schönes Pflege- und Betreuungsumfeld schaffen. Der Pflegefachmann, der auch lange bei Schwerstbehinderten in der stationären und ambulanten Pflege tätig war, entschloss sich 2020 eine Ausbildung zum Praxisanleiter zu machen und sein Wissen und seine Erfahrungen an die Auszubildenden weiterzugeben.

Sylvia Richter

Moderne Lernhilfen

Zu seinen Azubis gehört Yann Rautenberg aus München. „Ich wollte schon immer mit Menschen arbeiten. Als verschiedene Pflegeunternehmen zu uns in die Schulklasse kamen, stand mein Entschluss fest“, erzählt der 18-Jährige. Nach einem FSJ und der einjährigen Ausbildung zur Pflegefachhilfskraft befindet er sich inzwischen im zweiten Lehrjahr der insgesamt 3-jährigen Pflegefachausbildung.

Der Kontakt zwischen den Azubis ist eng, einige leben in den Personalwohnungen des Hauses. „Wir helfen uns viel, vor allem bei den Vorbereitungen zu den Prüfungen.“ Besonders half ihm die Azubi-Lernwerkstatt, in der ein Bewohnerzimmer mit Hilfsmitteln nachgestellt ist und die Azubis unter Anleitung von Jens Franke an einer Pflegepuppe ihre ersten Pflegehandgriffe üben können. Auch der AgeMan® vermittelte ihm wertvolle Erfahrungen: „In einer Zeitreise in die Zukunft verwandeln sich unsere Auszubildenden dabei in 85-Jährige mit den verschiedensten Krankheitsbildern und Einschränkungen und müssen damit deren Alltagstätigkeiten bewältigen. Das verändert völlig ihren Umgang mit den Pflegebedürftigen“, präzisiert sein Praxisanleiter Jens Franke. Mit einem Helm, Bewegungssensoren an Armen und Beinen und einem schweren Anzug können die Azubis simulieren, wie sich ein Mensch fühlt, wenn die Knochen schwer werden und man kaum noch etwas sieht. Es sensibilisiert und hilft, sich in die Bewohner*innen hineinzuversetzen.

In der Azubi-Lernwerkstatt des Hans- Sieber-Hauses, in dem ein Bewohnerzimmer mit Hilfsmitteln nachgestellt ist, gibt es auch eine Übungspuppe, bei der man (behandlungs-)pflegerische Tätigkeiten üben kann. Viele Dinge, wie Positionierung, Wundverbände, Katheter legen oder Spritzen zu verabreichen, stellen manche Auszubildenen anfangs vor eine große Herausforderung. Yann Rautenberg und Arjanita Gashi üben grundlegende Pflegehandgriffe.

Interkulturelle Begegnungen

Auch Slim Mejri ist im zweiten Ausbildungsjahr. Der Auszubildende brachte schon gute Deutschkenntnisse mit, die er am Goethe-Institut in Tunis erworben hatte, sowie ein Wirtschaftsstudium. In seiner Muttersprache Französisch singt er immer wieder mit Elisabeth Pelikan, die ihre Französischkenntnisse als Flüchtlingskind aus dem Böhmerwald mitbrachte. „Wenn ich ein französisches Lied anstimme, erinnert sie sich an ihre Kindheit. Wir schauen uns auch oft ihre Familienfotos an“, erzählt Slim Mejri.

Mit älteren Menschen hat er bereits in seiner eigenen Familie Erfahrungen gesammelt. Während die Eltern arbeiten gingen, kümmerte er sich um seine Großmutter: „Ich arbeitete damals im Homeoffice und stellte fest, dass es mich glücklich macht, mit alten Menschen zusammen zu sein. Anfangs gab es bei der Ausbildung einige Herausforderungen, z. B. wie man den Menschen hilft, sich aufzurichten und aufzustehen und dabei Hilfsmittel richtig einsetzt. Was ich neben dem Fachwissen jetzt noch lernen muss, ist der bayerische Dialekt“, erzählt er lachend. Die praktischen Einsätze übt Slim Mejri in zwei Wohnbereichen, einer davon ein muslimischer Bereich, in dem vor allem türkischstämmige Pflegebedürftige leben. „Mit einem Bewohner lese ich den Koran, vor allem wenn er traurig ist, tut ihm das sehr gut“, erzählt der 28-Jährige.

Neben Jens Franke unterstützt ihn eine Pflegefachkraft, die wie er aus Tunesien stammt und bald selbst die Aufgaben eines Praxisanleiters übernehmen wird. „Ich bin froh, zur MÜNCHENSTIFT zu gehören“, freut sich Slim Mejri. „Durch die Ausbildung bin ich ruhiger und erwachsener geworden. Neben der Pflege und Essensversorgung sind Gespräche mit den älteren Menschen das Wichtigste. Nach der Arbeit gehe ich oft mit Bewohner*innen spazieren, dann erzählen sie von ihrem Leben und ich über mein Land. Ich lerne viel von ihren Erfahrungen, z. B. wie wichtig es ist, etwas Sport zu machen, um gut zu altern.“

Kommunikation und Kreativität

Ksenia Suljmanac entschied sich schon mit 14 Jahren für die Pflege als Beruf. „Ich habe bereits mit sieben Jahren meine Oma mitgepflegt. Als jemand von der MÜNCHENSTIFT in der Schule über den Beruf erzählte, wollte ich unbedingt Pflegerin werden“, erzählt die heute 18-Jährige. Da sie damals noch zu jung für die Ausbildung war, begann sie in St. Maria Ramersdorf ein FSJ. „Anfänglich war es so, dass die älteren Menschen natürlich nicht meine Oma waren und ich im Umgang aufgeregt und unsicher war. Doch wenn man sich dann jeden Tag sieht, entsteht schnell eine Bindung und man verliert die Angst“, erinnert sie sich.

Sie schloss eine einjährige Ausbildung zur Pflegefachhilfskraft an, die ihr bestätigte, dass sie diesen Beruf erlernen wollte. Die deutsche Sprache beherrschte die junge Frau mit serbischem Hintergrund perfekt, schließlich war sie in München geboren und aufgewachsen. Seit einem Jahr nimmt Ksenia Suljmanac nun an der dreijährigen Ausbildung zur Pflegefachkraft teil. „Da ich sehr neugierig bin und schon als Pflegefachhilfskraft zugeschaut habe, wie z. B. die Dokumentationen oder Wundversorgung gemacht werden, arbeite ich mich schnell in viele Fachthemen ein.

Ich habe mich sehr verändert während der Ausbildung, vorher hatte ich viel weniger Selbstbewusstsein. Ich musste auch lernen mit dem Tod von Bewohner*innen umzugehen, die ich eng begleitet hatte. Der Austausch mit den Kolleg*innen half mir dabei sehr, auch unsere Praxisanleiterin und die Bewohner*innen haben mir immer wieder Mut zugesprochen.“ Ich lernte dabei sogar Bayerisch und den Azubis, die nicht gut Deutsch können, versuche ich zu helfen und erkläre einzelne Worte“, ergänzt Ksenia Suljmanac.

Zum Austausch in entspannter Runde tragen die Afterwork-Azubitreffen vom Haus St. Maria Ramersdorf bei. Bei diesem Kommunikations- und Lernformat an unterschiedlichen Orten können Themen vertieft und so manche Fragen und Probleme ausgeräumt werden.

Besonders freut sie sich über das regelmäßige Azubitreffen, bei dem sich alle Auszubildenden mit ihren Bezugspersonen einmal im Monat über ihre Fragen und Probleme austauschen. „Das gibt ein schönes Gemeinschaftsgefühl! Wir werden als Menschen wahrgenommen und lernen uns gegenseitig zu helfen. Ich habe hier meine beste Freundin kennengelernt“, erzählt Ksenia Suljmanac. „Und ich finde es megawichtig, junge Menschen für den Beruf zu motivieren und ihnen zu zeigen, dass es hier um viel mehr als reine Pflege geht“, überlegt sie. „Deshalb will ich in Schulen gehen und von meiner Ausbildung berichten und wenn ich damit fertig bin, möchte ich selbst Praxisanleiterin werden.“

„In der Ausbildung entsteht eine kreative Atmosphäre, die wir hier bei der MÜNCHENSTIFT mit weiteren Aktivitäten ausbauen“, erzählt Susanne Krempl, stellv. Leiterin in St. Maria Ramersdorf. So konnten beispielsweise zwei Azubis aus unserem Haus auf die letzte Altenpflegemesse mitfahren und mitbekommen, wie man sich weiterbildet, sich auf den aktuellen fachlichen Stand bringt und neue Ideen entwickelt. Viele Azubis werden selbst kreativ, nehmen z. B. mal die Bewohner*innen auf einen Kurzausflug mit und lernen, was dabei alles zu beachten und organisieren ist. Sehr motivierend und lehrreich ist auch die Simulation von Frühdiensten in einem Wohnbereich.

Text: MÜNCHENSTIFT Magazin, Heft Nr. 102 - Dezember 2022
Fotos: Marcus Schlaf, Birgit Haubner, MÜNCHENSTIFT