• Menschen

Helfen aus Dankbarkeit

16. Juni 2022

Armen Rentner*innen zu helfen, hat sich Lydia Staltner vor 18 Jahren vorgenommen und gründete Lichtblick e.V. Zu den Menschen, die Hilfe erhalten, gehören auch Bewohner*innen der MÜNCHENSTIFT.

Wie entstand die Idee zu Lichtblick e.V.? Und wie hat sich die Situation seit 2003 geändert?

Ich beobachtete, wie eine alte Frau im Winter und Sommer immer den gleichen Wintermantel und die gleichen Schuhe trug. Zunächst wunderte ich mich, bis mir klar wurde, dass sie nichts anderes hatte. Ich erzählte daraufhin Freunden, dass ich etwas für alte Menschen machen wolle, um deren Not zu lindern. Sie fragten, warum ich mich nicht lieber für Kinder einsetzen wolle, aber ich blieb bei meiner Idee. Damals war Altersarmut noch kein Thema. Seitdem hat sich die Situation sehr verschärft. Menschen, die nach Deutschland kamen und 40 Jahre lang gearbeitet haben, kommen jetzt in Rente. Zudem steigen die Preise und das Rentenniveau sinkt. Viele haben nach Abzug der Miete weniger als die Grundsicherung. 2016 halfen wir 10.000 Menschen, heute sind es über 20.000. Täglich werden 5 bis 10 neue Anträge gestellt.

Wie helfen Sie konkret?

Nach genauer Prüfung erhalten die Menschen lebenslang Unterstützung, z. B. wenn mal das Geld für Medikamente oder eine Brille nicht reicht. Ein großes Thema sind Essensgutscheine. Unabhängig von diesen konkreten Hilfen, für die wir zur Abrechnung Belege brauchen, erhalten 80 Prozent von ihnen im Rahmen von Patenschaften monatlich 35 Euro. Das ist uns wichtig. Damit behalten sie ihre Würde, denn sie können frei darüber verfügen. Oft fehlt das Geld für eine Tasse Kaffee oder für ein kleines Geschenk an die Kinder oder Enkelkinder.

Lydia Staltner, Gründerin von Lichtblick e.V.

Wie schafft der Verein das alles?

Unsere erfahrenen Mitarbeiterinnen bearbeiten schnell und unbürokratisch die vielen Anträge, zudem helfen Ehrenamtliche bei Veranstaltungen, Wandergruppen, Kegelnachmittagen oder dem Heiligen Abend für etwa 30 einsame Menschen. Während Corona haben sie 14.000 Lebensmittelkisten direkt vor die Tür geliefert und 30.000 Masken verschickt.

Tun sich die Menschen schwer Hilfe anzunehmen?

Ich beobachte, dass von drei Menschen nur einer zum Amt geht. Hinzukommt, dass es oft nur ein paar Euro sind, um aus der Bemessungsgrenze herauszufallen und für eine Reihe von Hilfen keine Berechtigung zu haben. Es gibt daher viele arme Menschen ohne Grundsicherung. Einige Institutionen schicken mangels Geldes die Menschen zu uns. Manche Menschen haben richtig Angst zu kommen, fühlen sich danach aber in unserem Ladenbüro sehr wohl. Bei Bewohner*innen der MÜNCHENSTIFT erfolgt der Kontakt durch die Hausleitungen oder sie wenden sich direkt an uns.

Gibt es Ältere, die Sie besonders beeindruckt oder geprägt haben?

Meine Oma hat noch Kartoffeln gesammelt, bei uns wurde frisch gekocht und nur einmal wöchentlich Fleisch gegessen. Ich gehöre noch zur Generation, die selbst Milch beim Bäcker holte. Wenn man heute mit offenen Augen durch München geht, sieht man alte Menschen die Flaschen sammeln. Die alten Menschen haben unser schönes Land mit aufgebaut. Ich empfinde Dankbarkeit und möchte ihnen etwas zurückgeben.

Text: MÜNCHENSTIFT Magazin, Heft Nr. 99 - März 2022
Fotos: Lichtblick Seniorenhilfe e.V.