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Mit eigenen Azubis Zukunft sichern

08. Februar 2022

Die MÜNCHENSTIFT ist die größte kommunale Ausbilderin in der Pflege. Damit begegnet sie gezielt dem Fachkräftemangel und schult gleichzeitig Nachwuchs, der die Werte und Standards einer den Menschen zugewandten Pflege erfüllt. So etwa im Haus an der Effnerstraße.

Als Mersiha Mustafic-Kurtalic 2018 von Bosnien nach Deutschland kam, brachte sie eine Ausbildung in einer technischen Verkehrsschule und einige Jahre Schuldeutsch mit. Ein Freund machte sie auf das MÜNCHENSTIFT-Haus an der Effnerstraße aufmerksam. „Da ich mich gerne mit alten Menschen austausche und mir gut vorstellen konnte, in der Pflege zu arbeiten, bewarb ich mich für eine Ausbildung zur Pflegefachkraft.“ Neben dem Vorstellungsgespräch machte die 19-Jährige einen Sprachtest, gefolgt von zwei Hospitationstagen für Menschen ohne Pflegeerfahrung. Dabei konnten sich beide Seiten besser kennenlernen. „Ich bin mit den Pflegekräften mitgelaufen und mir war sofort klar, dass die Arbeit in der Pflege etwas für mich ist“, so die Auszubildende, die inzwischen mit einem überdurchschnittlichen Abschluss als Pflegefachkraft im Haus arbeitet.

Unter 86 Auszubildenden ihres Jahrgangs bestand Mersiha Mustafic-Kurtalic ihre Prüfungen 2021 mit Auszeichnung. Bei der Abschlussfeier erhielt sie neben ihrem Abschlusszertifikat auch Sonderurlaub und eine Geldprämie. 

Wie Theresa Gümüs (rechts) und Uyanga Unenbat betreuen in jedem MÜNCHENSTIFT-Haus Zentrale Praxisanleiter*innen (ZPA) die derzeit 212 Auszubildenden der MÜNCHENSTIFT. Sie unterstützen sie bei fachlichen und persönlichen Anliegen.

Wertschätzender Umgang

„Bei uns steht der wertschätzende Umgang mit den Bewohner*innen im Mittelpunkt“, erzählt Theresa Gümüs, die als eine von zwei Zentralen Praxisanleiterinnen (ZPA) für die Ausbildung der derzeit 21 Auszubildenden im Haus zuständig ist. „Wir nehmen uns viel Zeit, um die Kandidat*innen kennenzulernen, denn Sozialkompetenzen sind nur bedingt lernbar.“ Zuletzt starteten fünf neue Azubis mit der 3-jährigen Ausbildung zu Pflegefachkräften und drei mit der einjährigen Ausbildung zu Pflegefachhelfer*innen.

Auf die Sprachkompetenz wird beim Vorstellungsgespräch besonders geachtet. „Sprechen und Verstehen sind vorrangig, das Schreiben kann während der Ausbildung verbessert werden“, so die ZPA Uyanga Unenbat. Azubis mit geringen Deutschkenntnissen stehen bei der MÜNCHENSTIFT kostenlose Deutschkurse zur Verfügung und auch Azubis mit besserem Deutsch können ihre Kenntnisse in Sprachkursen vertiefen. „Viel lernen sie auch von den Bewohner*innen, die ihnen mit Freude bei der Sprache helfen“, erzählt sie lachend.

„Bei mir war es die deutsche Grammatik, die ich verbessern musste“, erinnert sich Mersiha Mustafic-Kurtalic an die schwierige Anfangszeit. „Das erste halbe Jahr war auch deshalb sehr schwierig, weil ich zuhause in der Familie in einem großen Haus aufgewachsen bin, hier aber kaum jemanden kannte und ganz auf mich gestellt war. Das Lernen und Arbeiten in einer anderen Sprache und die vielen Leistungsnachweise nahmen so viel Zeit in Anspruch, dass für nichts anderes Zeit übrigblieb.“

Die Ausbildung gliedert sich in Schul- und Praxisblöcke. Während der Praxiswochen führen die Praxisanleiterinnen ihre Azubis in die praktische Pflegearbeit ein. In Gruppenanleitungen lernen sie z. B. Wund- und Kompressionsverbände anzulegen oder Mobilität zu fördern.

Interkulturelles Arbeiten

„Aufgrund der anderen Erziehung und Kultur müssen sich viele erst mit unseren Arbeitsstrukturen vertraut machen“, erzählt Uyanga Unenbat. Zwei der letzten Kandidat*innen begannen daher mit einem extra Vorbereitungsjahr, das die MÜNCHENSTIFT 2019 eingeführt hat. „Damit können wir einzelne Bewerber*innen gezielt mit Deutsch- und Computerkursen fördern und mit Arbeiten in den Wohnbereichen an die Arbeits- und Kommunikationskultur der MÜNCHENSTIFT heranführen“, erklärt Theresa Gümüs. Später gehören zusätzlich zu den zentralen Pflegethemen auch die diversitätssensible Pflege zur Ausbildung.

„Zu den Themen, die wir üben, gehört das Blutzuckermessen“, erzählt Pflegefachhelferin Aster Hinsta, die 2019 die einjährige Ausbildung abschloss. Zuvor hatte sie an einem Vorbereitungsjahr für Flüchtlinge teilgenommen. „Am schwierigsten war die deutsche Sprache“, erinnert sie sich. Ursprünglich wollte sie Kindergärtnerin werden, jetzt arbeitet sie in der Altenpflege „Wichtig ist es, die Menschen nicht nur zu versorgen, sondern mit dem Herzen dabei zu sein.“

Individuelle Unterstützung

Die ZPAs helfen nicht nur bei Behörden- oder Wohnproblemen, sondern auch bei persönlichen Herausforderungen. „Vom Vorstellungsgespräch bis zur Prüfung begleiten wir unsere Azubis, so entsteht ein Gefühl der Zugehörigkeit und vor allem Vertrauen“, erzählt Uyanga Unenbat. Wie wichtig eine offene Kommunikation ist, weiß sie aus eigener Erfahrung. Als sie vor sieben Jahren nach Deutschland kam und in einem kleinen Ort die Ausbildung zur Pflegefachkraft absolvierte, war sie völlig allein und erlebte viele Tiefpunkte. „Die Ausbildung habe ich nur deshalb gut abgeschlossen, weil ich mit Lehrkräften über meine Probleme reden konnte.“ „Hier gibt es viel Hilfe untereinander, nicht nur im Wohnbereich, in dem ich arbeite, sondern im ganzen Haus“, beobachtet Mersiha Mustafic-Kurtalic „Wenn ich z. B. bei der Mobilisierung Hilfe brauche, ist immer jemand da. Auch wenn ich unsicher bin, kann ich immer jemanden fragen.“

Patricia Gräßer entschloss sich nach mehreren Jahren als Pflegefachhelferin, letzten  September für die 3-jährige Ausbildung zur Pflegefachkraft. In Einzelanleitungen vertieft die ZPA Uyanga Unenbat mit der 49-Jährigen die Themen der Berufsschule, z. B. Blutzuckermessungen und Insulinspritzen.

Text: MÜNCHENSTIFT Magazin, Heft Nr. 98 - Dezember 2021
Fotos: Barbara Donaubauer, MÜNCHENSTIFT